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Vorlage zur bauseitigen Vorbereitung und zur inhaltlichen Gestaltung des „Museums Synagoge Gröbzig“ und Maßnahmen zum Fortgang der Vorbereitungsarbeiten, 17. Juli 1987

Quellenkritische Einordnung

Das Büro beziehungsweise Sekretariat der SED-Kreisleitungen befasste sich in regelmäßigen Sitzungen mit Themen des politischen, wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Lebens. Die Diskussion und Beschlussfassung der in der Tagesordnung enthaltenen Themen erfolgten meiste auf der Grundlage vorab eingereichter Vorlagen. Die Beratungen von Themen mit Bezug zur jüdischen Geschichte sind dabei sowohl auf Kreis- als auch auf Bezirksebene äußerst selten.

Ob es in den Sekretariatssitzungen zu inhaltlichen Debatten oder Kontroversen bezüglich der eingereichten Vorlagen kam, ist aus den Beschlussprotokollen kaum zu entnehmen. Inwieweit die Vorlagen in der beschlossenen Form tatsächlich umgesetzt wurden, sollte deshalb nach Möglichkeit anhand weiterer Quellen überprüft werden.

 

Inhaltliche Einordnung

Für die mindestens seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Gröbzig bestehende jüdische Gemeinde wurde im Ort eine Synagoge errichtet und der angrenzende Friedhof erweitert. Das 1832 errichtete Gemeindehaus wurde als Schulgebäude genutzt, bevor es einem Wirtschaftsgebäude weichen musste. Später erfolgte der Bau eines Schulgebäudes an anderer Stelle.

Nachdem sich ab 1871 die Mitgliederzahl der ortsansässigen jüdischen Gemeinde durch die allgemeine Landflucht um die Jahrhundertwende stark verringert hatte, wurde das Synagogengebäude 1934 der Stadt zur musealen Nutzung übergeben. Fortan war in dem Gebäude die heimatgeschichtliche Sammlung untergebracht. Die kostbarsten Gegenstände aus der Synagoge wurden 1934 in die Hauptsynagoge in Dessau überführt. Noch vorhandene jüdische Kultgegenstände versteckte die Museumsleitung im Deckengewölbe. Hebräische Inschriften entfernte oder überklebte sie. Vermutlich rettete diese Umnutzung die Anlage vor der Zerstörung durch die Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht. Die jüdische Gemeinde der Stadt wurde dagegen fast vollständig ausgelöscht.

Das aus Synagoge, jüdischer Schule, Gemeindehaus und Friedhof bestehende Ensemble, welches in dieser Form einzigartig im deutschsprachigen Raum ist, blieb auch nach 1945 erhalten, wenngleich die Optik eine starke Veränderung erfuhr. Die Sammlungen wurden wieder aufgestellt, einschließlich der jüdischen Kultgegenstände, und die jüdischen Inschriften wieder sichtbar gemacht. Lange Jahre stand das Gröbziger Heimatmuseum unter ehrenamtlicher Leitung.

1967 erfolgte zunächst die Erarbeitung einer Konzeption zur Neugestaltung des Museums in Abstimmung mit dem Vorsitzenden des Verbandes Jüdischer Gemeinden in der DDR unter anderem zu Restaurierungsarbeiten am Synagogengebäude. Die 1969 eingeweihte neue Ausstellung thematisierte auch die Rettung der Synagoge und des dort ausgestellten jüdischen Kulturgutes. In Vorbereitung auf den 50. Jahrestag des Städtischen Museums im Jahre 1984 beschloss der Rat der Stadt Gröbzig am 6. September 1982 die Rekonstruktion des gesamten Museumskomplexes. Wenig später formulierte der Rat des Kreises Köthen die politisch-ideologische Zielsetzung bis zu den Gedenkfeierlichkeiten 1988, welche zu einer Veränderung der inhaltlichen Konzeption und der Gestaltung des Objektes als Komplex „Museum Synagoge Gröbzig“ führte.

Das Museum wurde zur hauptamtlich geleiteten Kultureinrichtung, vorgesehen war auch die Schaffung der baulich-materiellen Voraussetzungen für die neue Ausstellungskonzeption, welche die „Dokumentation jüdischer Regionalgeschichte als integraler Bestandteil der historischen Entwicklung zum mahnenden Gedenken an das Novemberpogrom von 1938“ vorsah. Offenbar machten die vorgesehenen Arbeiten jedoch nicht die geplanten Fortschritte.

Die hier vorgestellte, durch den Rat des Kreises Köthen erarbeitete Vorlage vom 17. Juli 1987, basierend auf einem Bezirkstagsbeschluss vom 16. April 1987 und dem entsprechenden Kreistagsbeschluss, legte fest, „daß 1988 der Komplex „MSG“ in seiner gewachsenen Einheit entsprechend denkmalpflegerischer Zielstellung und der inhaltlichen Profilierungskonzeption als Museum mit dem Schwerpunkt Judaica fertigzustellen ist.“ Die Einrichtung sollte zur zentralen Dokumentationsstelle für jüdische Regionalgeschichte Anhalts ausgebaut werden. Um die Fertigstellung bis zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht gewährleisten zu können, wurde eine Koordinierungsgruppe unter Leitung des Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises für Inneres eingesetzt.

Vermutlich steht dieser Beschluss auch im Zusammenhang mit dem Bemühen der DDR, den 50. Jahrestag der "Reichskristallnacht" am 9. November 1988 zu nutzen, um die westliche Welt über jüdisches Leben in der DDR zu informieren und die antifaschistische Haltung des Staates zu demonstrieren. Die vom Staatssekretariat für Kirchenfragen 1986 gemeinsam mit dem Außenministerium hierzu entwickelten Vorschläge beinhalteten unter anderem die Erweiterung der finanziellen Unterstützung für jüdische Friedhöfe und Museen in der DDR, welche in den Folgejahren umgesetzt wurde. In diesen Kontext gehört etwa auch die Schaffung der „Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“ 1988 mit dem Ziel, die Neue Synagoge wiederaufzubauen und ein Zentrum für die Pflege und Bewahrung jüdischer Kultur zu schaffen.

Das Gröbziger Sakral-Ensemble aus Synagoge, Kantorhaus und Schule wurde nach alten Plänen original rekonstruiert und unter Mitwirkung des Centrum Judaicum Berlin und der Jüdischen Gemeinde zu Halle als einziges staatliches Museum jüdisch-religiösen Profils in der damaligen DDR gestaltet. Die Neueröffnung als Museum Synagoge Gröbzig Ausstellung Gröbziger Heimathistorie und jüdischer Geschichte erfolgte am 3. November 1988.

Überlieferungsgeschichte

Die Protokolle der Bürositzungen beziehungsweise später der Sekretariatssitzungen bilden den Kern der Überlieferung der SED-Kreisleitungen. Zusammen mit den entsprechenden Vorlagen wurden sie an das SED-Bezirksparteiarchiv Halle abgegeben. 1992 erfolgte auf der Grundlage eines Einbringungsvertrages zwischen dem Land Sachsen-Anhalt und dem Landesvorstand der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) die Übergabe des SED-Bezirksparteiarchivs Halle an das Landesarchiv.

Gröbzig, heute Landkreis Anhalt-Wittenberg, gehörte 1987 zum Kreis Köthen.