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Ausweisungen von in die Provinz Sachsen eingewanderten Juden, 1925-1928

Quellenkritische Einordnung

Unter Titeln wie „Behandlung der Ausländer“, „Ausweisungen und Einwanderung von Ausländern“, „Pass- und Meldewesen“ abgelegte Vorgänge aus den Jahren nach dem ersten Weltkrieg sind in zahlreichen Akten der hierfür zuständigen Behörden zu finden. Zu Ausweisungen befugt waren in Preußen die Regierungen als Landespolizeibehörden, das heißt in der Provinz Sachsen die Regierungen Magdeburg, Merseburg und Erfurt. Bei Verstößen gegen Reichsgesetze durch Ausländer hatten sie das Recht und teilweise sogar die Pflicht, diese aus dem Reichsgebiet auszuweisen. Hiervon betroffene Ausländer wandten sich häufig mit Bittschriften und Einsprüchen gegen erteilte Ausweisungsbescheide an den Oberpräsidenten. Dies belegen zahlreiche, im Bestand der Allgemeinen Abteilung des Oberpräsidenten überlieferte Schreiben und Gesuche – so auch im Bd. 2 der Aktenreihe C 20 I, Ib Nr. 1749.

Inhaltliche Einordnung

Sowohl die oben genannte Akte als auch die anderen zur Reihe gehörenden Bände belegen das Schicksal von Menschen, die auf der Suche nach Arbeit häufig schon vor dem Ersten Weltkrieg in das Deutsche Reich gekommen oder während des Krieges angeworben worden waren, um die zur Armee eingezogenen und in der Wirtschaft fehlenden Männer als Arbeitskräfte zu ersetzen. Hierzu gehörten beispielsweise auch aus Osteuropa vor Pogromen geflüchtete Juden, die ihr Auskommen in Deutschland suchten. Dies erwies sich für viele als schwierig, insbesondere als sich während des Krieges und auch in der Nachkriegszeit die Versorgungslage im Deutschen Reich stark verschlechterte, auf Grund der desolaten wirtschaftlichen Lage die Arbeitslosigkeit immer weiter anstieg und die Wohnungsnot wuchs. Viele Zugewanderte, die sich zumeist selbst nicht unbedingt als Ausländer sahen, da sie schon lange im Deutschen Reich lebten oder auch aus ehemaligen deutschen Gebieten stammten, stellten nun eine Konkurrenz dar und versuchten sich zum Beispiel als Altwarenhändler, Handwerker oder Wandergewerbetreibende über Wasser zu halten. Die Genehmigung zu Letzterem war jedoch zunehmend schwieriger zu erhalten. Da die Zahl der Händler und Wandergewerbetreibenden ohnehin schon sehr groß war, unterlag die Erteilung entsprechender Genehmigungen an Ausländer gemäß Erlass des Ministers für Handel und Gewerbe vom 13.10.1925 einer „scharfen Prüfung“. Das musste auch der polnische Jude Illius Schiffmann aus Stendal erfahren, als ihm mitgeteilt wurde, dass ihm ein Wandergewerbeschein nicht mehr erteilt werden könne und damit die Gefahr bestehe, dass er der öffentlichen Armenpflege anheimfalle und somit ausgewiesen werden müsse. Auch der Einspruch eines beauftragten Rechtsanwalts gegen die Ausweisung aus dem preußischen Staatsgebiet half ihm nicht. Diesem wurde vom Preußischen Innenministerium nach entsprechender Stellungnahme der beteiligten Behörden abschließend mitgeteilt, dass sein Gesuch zur Rücknahme der Ausweisung des Illius Schiffmann abgelehnt werden müsse.

Von Ausweisung Betroffene erhielten mitunter auch Fürsprache von Hilfsorganisationen und Vereinen, wie ein anderer in der Akte überlieferter Fall belegt. So verwandte sich der Vorsitzende der jüdischen Vereinigung „Achduth“ Magdeburg, Gustav Abosch, in einem Schreiben vom 6. Juli 1926 an den Oberpräsidenten für den seit langem in Magdeburg lebenden Meier Kleinmann, in dem er dessen schwierige Situation schilderte und um wohlwollende Behandlung dessen Gesuchs bat. Die Aussichtslosigkeit des Gesuchs offensichtlich erahnend, verließ Kleinmann am 21. Juli Magdeburg, was aus der Antwort der Ehefrau an den Oberpräsidenten hervorgeht, nachdem dieser tatsächlich die Rücknahme der Ausweisung abgelehnt hatte.

Überlieferungsgeschichte

Soweit aus den Quellen im Landesarchiv zu entnehmen ist, waren Verstöße gegen Pass- und Meldebestimmungen häufigster Grund für Ausweisungen aus dem Deutschen Reich in den 1920er Jahren. Aber auch Verurteilungen wegen Landstreicherei und Bettelns führten in der Regel zu dieser Konsequenz.

Die Behörden waren vor allem aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation im Deutschen Reich zu strenger Umsetzung entsprechender Verordnungen, wie dem Ausweisungserlass des Preußischen Ministers des Innern vom 23. August 1923, aufgefordert. Das weitere Schicksal der in der Akte erwähnten Personen lässt sich anhand der im Landesarchiv verwahrten Quellen zumeist nicht aufklären. Informationen zu den von Ausweisung Betroffenen, die Beschwerde einlegten oder sich mit Bittgesuchen zum Beispiel an den preußischen Innenminister wandten, könnten jedoch im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz zu finden sein. Da in der Regel die örtlichen Polizeibehörden Auslöser eines Ausweisungsverfahrens waren, könnten auch im zuständigen kommunalen Archiv Unterlagen zu gesuchten Personen überliefert sein.